Kiel - Wik
1: Kielline – Marinestützpunkt Kiel Wik
Zum Maritimen Viertel der Stadt Kiel gehört auch der Marinestützpunkt im Stadtteil Wik. Im Nordwesten der Kieler Innenförde und in unmittelbarer Nähe zu den Schleusen des Nord-Ostseekanals gelegen, stellt er einen zentralen Bestandteil des Viertels dar; nicht nur geographisch, sondern auch historisch.
Um das Jahr 1900, als Kiel Kriegshafen des Deutschen Reiches war und eine rasante Entwicklung zur Großstadt erlebte, wurde der „Tirpitzhafen“ als Hafen für Torpedoboote angelegt. Benannt wurde er damals nach dem Begründer der Deutschen Hochseeflotte, Großadmiral und Staatssekretär im Reichsmarineamt, Alfred von Tirpitz.
Umbenennung seit 2021 in Gorch-Fock-Mole und die im Innenbereich des Stützpunktes Oskar-Kusch-Mole.
Der Marinestützpunkt ist durchgängig von mehreren Deutschen Marinen als Marinehafen genutzt worden. Seit Ende der 50er-Jahre wird er als Stützpunkt der heutigen Marine genutzt. Heute sind hier der Stab der Einsatzflottille 1, die beiden Minensuchgeschwader, mehrere Trossschiffe, sowie das Segelschulschiff „Gorch Fock“ beheimatet. Zusätzlich ist er auch Anlaufhafen für viele Schiffsbesuche fremder und befreundeter Marinen, insbesondere jährlich zur „Kieler Woche“, aus der die Marine nicht weg zu denken ist. Hier hat auch die „Gorch Fock“ ihren Liegeplatz, eine 1958 gebaute Bark, die der Marine noch heute als Segelschulschiff dient. Offizier- und Unteroffizieranwärter erhalten bei den Fahrten in die Häfen aller Welt ihre praktische und theoretische Ausbildung für ihren späteren Dienst bei der Flotte.
1: Eisenplastik Hafen 77
Eisenplastik von Felix Fehlmann für die Stadt Kiel. Gestiftet von dem Göteborger Reeder und weitsichtigen Unternehmer Sten Allan Olsson zum 10-jährigen Bestehen der Stena Linie Kiel-Göteborg.
Aus den genietetenBordwandteilen des in Göteborg abgewrackten Kohledampfers „Highlandsteamer“, Baujahr 1930, wurden schiffsförmige Körper geschnitten und in Kiel wieder zu einem ‚Schiff‘ ergänzt. Die Skulptur symbolisiert die Tradition der Verbundenheit von Schifffahrt und Hafenstädten und befindet sich in der Patenschaft der Seehafen Kiel GmbH & Co. Kommanditgesellschaft.
2: Flandernbunker
1943 wurde der Flandernbunker von der Kriegsmarine errichtet, um die deutschen Truppen zu schützen: Die über zweieinhalb Meter dicken Wände boten bis zu 750 Soldaten Platz. Als Notfall-Kommandozentrale war der graue Betonklotz ebenfalls vorgesehen – eine Nachrichteneinheit der Marine war auf der 550 Quadratmeter großen Grundfläche neben Teilen der Flugmeldeabteilung West untergebracht. Während anfangs nur Marinesoldaten Zutritt zum Bunker hatten, bot er zum Kriegsende auch ihren Angehörigen und den Kieler Bürgerinnen und Bürgern Schutz.
Abgerissen wurde der begehbare graue Betonklotz auch nach Kriegsende nicht: Er soll als ein Ort der Bildung erhalten werden, eine Erinnerung für Kriegswahnsinn und Niederlage im Zweiten Weltkrieg sein. Seit 2004 steht der Flandernbunker unter Denkmalschutz. Die vergangenen 60 Jahre haben ihre Spuren hinterlassen, deswegen hat der Verein „Mahnmal Kilian“ gemeinsam mit Denkmalschützern begonnen, den Bunker zu sanieren. Der Verein „Mahnmal Kilian“ e.V. hat diese Kriegsruine als Ort der Bildung und der Völkerverständigung etabliert. Sie ist Bildungs-, Kultur- und Gedenkstätte für Besucher und dient als Ausgangspunkt für anschaulichen Geschichtsunterricht.
Villa Nolde
Den Namen hat die Villa von den berühmten Maler Emil Nolde, dessen Bruder Leonhard Hansen mit seiner Frau Margarethe dort wohnte. Das Paar zog 1924 ein – und züchtete homöopathische Pflanzen zur Behandlung und Heilung von kranken Tieren. Viele Jahre gehörte die Villa dann der Landeshauptstadt Kiel, die sie 2011 an den Juwelier Jens Bahr verkaufte. Heute erobern Kinder in zwei Gruppen im Alter von 1 bis 6 Jahren die Villa. Die Kindertagesstätte des Kinder- und Jugendhilfe Verbundes bietet 25 Kindern als Schwerpunkte ästhetische Bildung im Atelier – in Anlehnung an den Namensgeber – sowie Bewegung. Ferner werden ehrenamtliche Lesepaten zum Vorlesen eingebunden. Im Obergeschoss berät der Verband alleinerziehender Mütter und Väter in Schleswig Holstein.
3: Anscharpark – Meilenstein kreativer Stadtentwicklung
Das südliche Kieler Maritime Viertel in der Wik gehört mit über 60 ha zu den flächenintensivsten Umnutzungen ehemaliger Militärgelände der Landeshauptstadt. Die Fördestadt Kiel, deren Entwicklung von der Marine geprägt war, erarbeitet derzeit vielfältige Konversionskonzepte, um historische Anlagen zu sichern und sie im Rahmen einer innovativen und kreativen Stadtentwicklung kulturellen Umnutzungen zuzuführen. Ein Beispiel ist das Atelierhaus im Anscharpark: Das ehemalige Marine- und Garnisonslazarett wurde zwischen 1903 und 1907 nach den Plänen des Berliner Baurats Georg Schwartzkopff errichtet. Das Anschargelände an der Wiker Bucht umfasste ursprünglich rund 20 Gebäude, darunter Krankenhauspavillons, Verwaltungs- und Wirtschaftsgebäude, Kesselhaus, Operations- und Badehaus, Leichenhaus, Pförtnerhaus, Kiosk, Inspektoren- und Unterbeamtenhaus; Tierstall, Kapelle und Gemüsegarten.
Das Wirtschaftsgebäude Haus 8 war Teil der damals hochmodernen Krankenhausanlage. Hier waren die Großküche – eine Dampfkoch- und Bratküche nebst Vorbereitungsräumen und Spülküche – und im östlichen Gebäudeteil die Waschanstalt (Reinigung) untergebracht. In den oberen Geschossen befanden sich der Speisesaal für Mannschaften und der Speiseraum für Sanitätsunteroffiziere. Über der Waschanstalt befand sich u.a. die Plättstube. Das Atelierhaus im Anscharpark ist ein Projekt, das die Arbeit von Künstler/innen und Kreativen in Kiel sichtbar machen soll. Künstlerische Produktion, Präsentation und Diskussion sind architektonisch, aber auch inhaltlich eng verbunden. Ab Herbst 2011 wird es von Künstler/innen und Designer/innen als Atelierhaus genutzt werden. 14 Studios unterschiedlicher Größe werden dazu vermietet. Im Zuge der Sanierung entsteht eine große Ausstellungs- und Präsentationsfläche für ein künstlerisches Veranstaltungsprogramm. Direkt neben dem Atelierhaus liegt das Kesselhaus, die ehemalige Fernwärmezentrale, mit seinem markanten Schornstein, den man von Süden kommend als erstes wahrnimmt. Das denkmalgeschützte Kesselhaus (Haus 15) ist eine der Schlüsselarchitekturen des Geländes und bietet durch seine auffällige Fassade und seine Lage ein attraktives Entree für den geplanten Schleusenpark, der sich bis zum Kanal hin entwickeln soll.
Neues Leben im Anscharpark
Mit dem Auszug des Klinikbetriebes begann der Zerfall der Gebäude im Anscharpark in Kiel-Wik. Danach wollten eine Gemeinschaft von vier Wohnungsbaugenossenschaften und die Atelierhausgesellschaft das historische Ensemble erhalten und behutsam ausbauen. Dazu efolgte dieser Tage der Beginn der Abrissarbeiten. “Es ist traurig und schade zugleich, diese äusserlich schönen Häuser abzureissen, aber offensichtslich ist die restliche Substanz der Häuser nicht mehr, oder wenn, dann nur mit großem finanziellen Aufwand, zu retten!” sagte uns eine sachkundige Anwohnerin. Für 3,8 Millionen Euro haben die Macher das 30000 Quadratmeter große Grundstück samt der Häuser von der Prelios GmbH gekauft. Entstehen werden hier bis zu 150 Mietwohnungen.
Umbau des Anscharparks in Kiel-Wik beginnt
Die Grundsteinlegung am 15. Oktober symbolisiert für den historischen Anscharpark im Kieler Stadtteil Wik einen Neubeginn: Aus dem ehemaligen Marinelazarett wird sich ein modernes Wohnquartier entwickeln, in dem Menschen mit vielfältigen Lebensentwürfen ein Zuhause finden werden. Junge Familien und Senioren, Studenten und Künstler, behinderte und nicht behinderte Mieterinnen und Mieter sollen in die 155 Neubauwohnungen, die hier errichtet werden, einziehen. Das Projekt wird von einer Kooperation aus vier Wohnungsbaugenossenschaften realisiert und soll bis Ende 2017 abgeschlossen werden. Das Gesamt-Investitionsvolumen wird rund 33 Mio. Euro betragen.
Damit geht die Zeit, während der das Gelände des Anscharparks brach lag, endgültig zu Ende. Daran hat die Landeshauptstadt Kiel einen großen Anteil. Durch eine flexible und zügige Begleitung des B-Planverfahrens und kooperative Maßgaben der beteiligten Ämter einschließlich des Amtes für Denkmalschutz wurde es der Gemeinschaft der vier Wohnungsbaugenossenschaften möglich, ein überzeugendes Konzept vorzulegen. Außerdem konnten die Genossenschaften den bisherigen Eigentümer des Areals, einen Immobilienkonzern, zum Verkauf bewegen. Zur Erinnerung: Nach Ende des Klinikbetriebs des ehemaligen Marinelazaretts in den 1990er Jahren wurde der Anscharpark privatisiert. Durch mehrere Eigentümerwechsel kam es nie zu einer Neuplanung, sondern Gebäude und Park verfielen mehr und mehr.
Doch nun geht es zügig voran. Die Planung der neun neuen Wohngebäude richtet sich an den Vorgaben des Denkmalschutzes aus: Ihre Größe und Lage fügt sich harmonisch in die Umgebung ein, alte Sichtachsen und Wegverläufe werden beibehalten, Funktionales, wie beispielsweise Stellplätze für Pkw und Fahrräder, wird aus dem Sichtfeld in die Tiefgarage verlegt. Gleichzeitig entsprechen die Wohnungen modernsten Standards hinsichtlich Energieeinsparung und Umweltschutz. Ihre Grundrisse reichen von der 1,5 Zimmer-Wohnung für den Ein-Personen-Haushalt bis zu 4 Zimmern für die große Familie, einige Wohnungen wurden explizit für Menschen mit Einschränkungen gestaltet. Ein Gebäude wird komplett an die Stiftung Drachensee für eine Behindertenwohngruppe vermietet. In einem anderen Gebäude werden im Erdgeschoss Studenten mit und ohne Behinderung einziehen, ein Inklusionsprojekt der Landeshauptstadt Kiel. Im Dachgeschoss dieses Hauses bildet ein Atelier mit angrenzender Wohnung einen idealen Ort für kreatives Schaffen.
Im Anscharpark entstehen ausschließlich Mietwohnungen, davon 72 als öffentlich geförderter Wohnungsbau. Vermieter einer Wohnung ist diejenige Genossenschaft, die Eigentümer der jeweiligen Wohnanlage ist.
Von den alten Gebäuden des Marinelazaretts konnten nicht alle vor dem Verfall gerettet werden. Doch vier Gebäude werden nun im Einklang mit dem Denkmalschutz revitalisiert. Ein weiteres steht Künstlern und Bürgern bereits grundlegend saniert offen: Das Atelierhaus im Anscharpark bietet jungen bildenden Künstlern die Möglichkeit, kreativ zu arbeiten, und versteht sich als Schnittstelle und Treffpunkt von Kunst, Design, Bildung und Gesellschaft.
Weimarer Straße
Auf großem Areal entstand innerhalb von sechs Jahren das Marinelazarett in der Wik. Es umfaßte insgesamt 14 Bauteile einschließlich aller Nebengebäude. Nach dem 2. Weltkrieg war das Anscharkrankenhaus dort untergekommen, lange Zeit war es das Domizil der Neurochirurgie der Universitätsklinken Kiel. Die schönen Giebelfassaden in verschiedenen Formen und mit wechselnden Mustern zu besichtigen und zu vergleichen, sollte man sich vornehmen, ehe es zu spät sein könnte, denn mit Ausnahme weniger Gebäude wird wegen erheblicher statischer Mängel an den Abriß einiger Häuser gedacht.
4: Alte Brotfabrik, Knorrstrasse
Alte Brotfabrik, Kneipen und Restaurants in der Adalbertstraße, Knorrstraße, Wiker Straße, alles denkmalgeschützte Wohngebäude. Im Jahre 1906 ließ der Unternehmer Wilhelm Nelsen an diesem Ort eine Brotfabrik bauen. Die zuvor gemeinsam mit seinem Schwiegervater Ernst Lorenz Flügge betriebene Bäckerei in der Waisenhofstraße konnte den Bedarf nicht mehr decken.
Der Grund dafür war die rasant wachsende Stadt, nachdem der Kieler Hafen zum Reichskriegshafen ernannt wurde. So wurde in dieser Großbäckerei 80 Jahre lang für die Kieler Bevölkerung und die Marineangehörigen gebacken. Bis in die 1970er Jahre wurde hier das zum Markenartikel entwickelte „Flügge-Brot“ gebacken. Im Jahre 1968 wurde aus dem Familienbetrieb eine Kommanditgesellschaft, wurde später von der Firma „Paech-Brot“ übernommen. 1985 wurden die Öfen abgeschaltet und die Fabrik stillgelegt. Es folgten 12 Jahre Leerstand, die dann im Jahre 1997 durch Instandsetzungsarbeiten endeten. Dank eines Investors konnte die Brotfabrik dann zu einem innerstädtischen Mietwohnhaus umgebaut werden.
Tante Suse ist bereits eine Institution
Biosk prägt das Maritime Viertel Wik mit
Es sind die liebevollen Details, zauberhaften Ecken und kreativen Menschen, die den Charme eines Wohnviertels ausmachen. In der Wik hat Susanne Wihlfahrt mit ihrem Biosk „Tante Suse“ einen ungewöhnlichen Treffpunkt im Maritimen Viertel geschaffen und es seitdem mit geprägt. Der Weg zu Tante Suse führt in die Adalbertstraße, einst wegen ihrer verruchten Spelunken auch „kleiner Streifen genannt. Im Eckladen des 1910 gebauten Backsteinhauses war früher ein Herrenfriseur, später folgten diverse Kioske. Vom Biosk, der Kombination aus Kiosk und Bio-Produkten, aus, blickt man nun seit 2011 auf die Petrus-Kirche und den Anschar-Park, der noch verwunschen wirkte, als sie hier mit dem Biosk anfing. „Ich wusste, dass es Pläne gibt und freue mich, wie es sich entwickelt“, sagt sie.
Dass Susanne Wihlfahrt gelernte Gärtnerin ist, lässt die Gestaltung des Außenbereiches erahnen. In einer Badewanne gedeihen Kräuter neben Blumen und ergeben mit dem knallroten Sonnenschirm ein farbenfrohen Anblick. „Am Anfang hatte ich mal vor, hier kleine Konzerte anzubieten. Der Aufwand war groß, die Resonanz leider zu klein, es hat sich nicht rentiert“, erzählt sie. Dann hörte sie vor anderthalb Jahren auf ihre Kundschaft – und die hatte um die Mittagszeit vor allem eins: Hunger.
Zwischen 11.30 und 13.30 Uhr gibt es für Künstler aus dem Atelierhaus und der Muthesius-Schule, aber auch Mitarbeiter der Bundeswehr und des Landwirtschaftsministeriums vegane und vegetarische Gerichte. Täglich wechseln sich Suppen, Quiche, Crepes oder Gerichte mit Couscous ab. „Ich habe das nicht gelernt, sondern mir Schritt für schritt angeeignet. Sie mögen es, und wenn es mal nicht schmeckt, meckert niemand“, sagt sie. Ihre treue Stammkundschaft ist das besondere an „Tante Suse“, der Namen ist wie der Biosk ein Wortspiel aus einem Tante-Emma-Laden und ihrem Spitznamen.
Von 9 bis 18 Uhr ist die Mutter dreier Kinder täglich im Einsatz, alle helfen, auch ihr Lebensgefährte. „Es ist extrem viel Arbeit. Manchmal sind wir kurz vor Selbstkostenpreis, aber das mit Betriebswirtschaft lerne ich noch“, hofft sie. Weil die Mittel für Mobiliar fehlten, bekam sie von wildfremden Menschen Möbel geschenkt und so erinnert das Laden innere mittlerweile an ein Wohnzimmer mit Verkaufstresen. „Im Winter oder bei Regen wird es ganz schön eng, da versuchen alle drinnen ein Plätzchen zu finden“, beschreibt sie. Auch das Logo für ihr Geschäft war ein Geschenk. Eine Liebeserklärung an den kleinen Eckladen gab es in Form von Poesie. „Am Arsch der Stadt“ heißt ein kleines Büchlein von 300 Exemplaren, für das Michael Hergt den Text und Pepe Lange die Fotos gemacht haben. Lange wohnt seit 1991 in der Adalbertstraße und ist ein großer Fan. „Denn erst mit Tante Suse fing es an, dass man die Leute im Viertel entdecken und kennenlerne konnte“, erklärt er.
Knorrstraße
Jugendstil auch an der gerundeten Ecke der Knorrstrasse 8, erbaut 1904, hier ohne kontrastierende Backsteinstreifen.
Die drei- und mehrfach kannelierten Blütenstengel bilden eine Vielzahl von Schleifen und über dem Haupt der Maske schließlich das Blütenwunder.
5: Petruskirche
Die Marine beschloss, außerhalb der Stadt, und zwar in dem neu eingemeindeten Stadtteil WIK, am Ufer der Förde eine neue Kasernenanlage zu errichten. Der Grunderwerb hierfür war jedoch nicht so einfach, wie man es sich in Berlin vorgestellt hatte. Zunächst war es der Kieler Magistrat, der Schwierigkeiten bereitete. Dieser hatte sich gerade mit der Marine in den „Hafenprozeß“ eingelassen, der bis zum Reichsgericht nach Leipzig führen und für Kiel verlustreich enden sollte. Aber auch die Eigentümerin grosser Ländereien in der WIK, die Schlachtermeisterwitwe Ehms, geb. Sell, zeigte sich als schwierige Verhandlungspartnerin. Witwe Ehms diktierte nämlich mehr oder weniger die Grundstückspreise in der WIK. Nun, der Fiskus zahlte den von Frau Ehms verlangten Preis, denn die Marine wollte schließlich bauen.
So wurde eine neue größere Kirche 1905-1907 in der WIK, die Petruskirche, für die evangelischen Militärangehörigen errichtet, bald darauf entstand unweit dieser an der Feldstr. die katholische St. Heinrich Kirche. Großadmiral Alfred von Tirpitz, „Vater“ der Flottengesetzte, gab als Staatssekretär im Reichsmarineamt den Auftrag zum Bau der beiden Kirchen, nachdem das Reichsschatzamt aus Geldmangel die Mittel zunächst nicht bereitstellen wollte. Die Gesamtkosten für die Petruskirche wurden auf 300.000 Mark veranschlagt, aber um fast 100.000 Mark überschritten. Für den Bau der evangelischen Kirche bestimmte Tirpitz das erfolgreiche und im Sakralbau ausgewiesene Karlsruher Architektenbüro der beiden gebürtigen Schweizer Karl Moser und Robert Curjel. Seine interessierte Teilnahme ging so weit, dass er von den Architekten forderte, eine „Baugruppe“ aus Kirche, Konfirmandensaal, Pfarrhaus und Verwaltungsgebäude zu entwerfen, die in Backstein in „dort heimischen Bauformen“ mit großen Steinen im Klosterformat errichtet werden sollte. Auf Anregung des Garnisons-Bauinspektors Adalbert Kelm ordnete Tirpitz auch an, die Kirche zur Verbesserung der städtebaulichen Wirkung entgegen den sonst üblichen Regeln nicht zu osten, sondern zu norden. So entgeht der hohe mächtige Turm der Einengung durch die gegenüberliegende hohe geschlossene Häuserzeile auf der Westseite der „zivilen“ Adalbertstraße und richtet sich zur Stadt hin, nach Süden aus. 1944 durch Bomben teilweise zerstört, konnte die Petruskirche vor allem durch Spenden der amerikanischen Sektion des Lutherischen Weltbundes 1949 innerhalb von zwei Monaten wieder aufgebaut werden. Die Petruskirche ist eine der grössten bedeutendsten Jugendstil-Kirchen in Deutschland.
6: Maschinenhalle I und II ehem. Technische Marineschule
Der Verein Maritimes Viertel – Kultur am Kanal e. V. will das maritime Erbe in der Wik und in Holtenau erforschen, bewahren und darstellen. Er will die maritime Kultur der beiden Stadtteile am Nord-Ostsee-Kanal vorstellen und die Geschichte der Marine in der Wik und in Holtenau bis zur Gegenwart sowie die maritime Technik und Wirtschaft schildern. Dies soll unter anderem verwirklicht werden durch: – die Organisation eines regelmäßigen Kulturmeilenfestes in der Wik und in Holtenau, -den Aufbau und die Durchführung einer auf das Maritime Viertel bezogene Dauerausstellung zu den Themen Marinegeschichte, Geschichte des Kanals und seines Vorläufers – des „Schleswig-Holsteinischen Kanals“ oder „Eiderkanals“ -, maritime Wirtschaft und Technik sowie durch Vorträge. -Diskussionsveranstaltungen und Führungen durch das Maritime Viertel können werden das Konzept ergänzen.
In der Arkonastrasse 1 befindet sich die Maschinenhalle der ehemaligen Technischen Marineschule, die vom Verein Maritimes Viertel e. V. betrieben wird. Im Maritimen Viertel wird eine attraktive maritim geprägte Kultur- und Wissenschaftsmeile sowie maritime Technik in einem historischen Marinequartier entstehen.
Modellanlage Historisches Kiel
Innerhalb weniger Jahre erweckten die Teilnehmer des Projektes „Modellbau – Historisches Kiel“ das Kiel der 1930er-Jahre im Maßstab 1:87 wieder zum Leben! Nach und nach bauten sie die Gebäude, Straßen und Landschaften der Landeshauptstadt Kiel. Vom Opernhaus über den alten Hauptbahnhof – hier entdecken Sie ihre Heimat neu! Besucher konnten den Teilnehmern auch gerne während der Arbeit über die Schulter sehen und die Entstehung der Gebäude und Landschaften hautnah erleben. Egal ob Schulklasse, Seniorenverein oder Neugierige – alle waren herzlich willkommen, um Geschichte live zu erleben!
Das Projekt „Modellbau – Historisches Kiel“ war bei der bfw eine Arbeitsgelegenheit für ALG II – Empfänger. Die Modelle werden im H0 Maßstab nach allerlei Bildmaterial aus Papier, Karton gefertigt. Es gab keine fertigen Bausätze. Die Fertigung eines Modells, je nach Größe, dauert ca zwei Wochen. Der stellvertretende Vorsitzende und der Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Vereins, führen Sie gerne durch unsere Räumlichkeiten und erklärt Ihnen die unterschiedlichen Gebäude und Straßen.
Maschinenhalle II
Am 23. November 1939 übernahm Konteradmiral (Ing.) Karl Thäter das Kommando der Technischen Marineschule Kiel. Um die zwischenzeitlich auf 2.000 angewachsene Zahl der Lehrgangsteilnehmer unterzubringen, entstanden diverse Baracken im Gelände.
Der Bau der Maschinenhalle II wurde begonnen und als die Anzahl der Soldaten auf 3.000 überstieg, dienten zwei Passagierschiffe der HAPAG-Reederei, die „Milwaukee“ und die „New York“, im Tirpitzhafen als Wohnschiffe.
Der Marineschule Kiel wurde 1941 das benachbarte Gebäude der Marinefachschule zugeteilt. Gleichzeitig wurden die Baracken zwischen Feld- und Wikerstraße (Scheerlager) übergeben. Am 01. September 1942 übernahm Konteradmiral (Ing.) Karl Kaufmann die Schule. In seiner Amtszeit überstieg die Schülerzahl 4.000. Die Maschinenhalle II konnte am 01. April 1943 in Betrieb genommen werden, wenn auch die Einrichtung dieser Halle, die eine komplette Zerstörer-Antriebsanlage und Schnellbootmotoren enthielt, bei Ende des Krieges nicht ganz abgeschlossen war. Anfang 1943 bestand die Marineschule aus drei Abteilungen. Zur ersten Abteilung gehörten die Oberfeldwebel- und Unteroffizier- Fachlehrgänge (6 Kompanien).
Die zweite Abteilung umfasste die Sonderlehrgänge für die U-Bootausbildung (3 Kompanien). In der drittten Abteilung wurden Ingenieuroffiziere und Ingenieuroffizier-Anwärter (3 Kompanien aus gebildet. In den letzten vier Kriegswochen führte Kapitän zur See (Ing.) Walter Graser die Marineschule Kiel.
Bis zum Tage der Kapitulation im Jahre 1945 hatten die Gebäude der Marineschule Kiel, im Gegensatz zur übrigen Stadt Kiel verhältnismäßig geringe Kriegsschäden erlitten. Total zerstört wurde in den letzten Kriegsjahren lediglich das damalige Offiziersheim (Wirtschaftsgebäude) Ecke Herthastraße. Die Maschinenhallen I und II hatten äußerlich nur geringe Schäden. Die Ausbildungsanlagen, wie Motoren, Pumpen, Laboratoriumseinrichtungen, Maschinen und Geräte, blieben aber nach Kriegsende nur zum Teil vor Verlust und Zerstörung verschont.
Das noch vorhandene Gerät in der Maschinenhalle I und II wurde in der Nachkriegszeit von der Ingenieurschule Kiel und dem Technischen Hilfswerk zur Ausbildung benutzt.
Am 01. Juli 1954 übernahm der Bundesgrenzschutz (See) einen Teil der Gebäude der ehemaligen Marineschule Kiel. Mit der Aufstellung der Bundeswehr erhielt die Bundesmarine im Sommer 1956 die Anlagen, um hier wiederum eine technische Schule einzurichten.
Historisches Kiel
Das alte Kiel ist nicht verloren – das Modell steht in der Technischen Marineschule, Heimat des Verein Maritimes Viertel – Kultur am Kanal e. V.
Ein Stück altes Kiel ist zur Zeit im Immobilien-Zentrum der Förde-Sparkasse in der Holstenstraße zu sehen. Mit Unterstützung des Vereins Maritimes Viertel – Kultur am Kiel-Kanal e. V., in dessen vom Verein genutzten Räumen die Ausstellung steht, präsentiert Modellbauer Kuntze Teile der dreidimensionalen Nachbildung des Kiel´s der 1920er Jahre.
Dreieinhalb Jahre lang bauten Langzeitarbeitslose im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit auf dem Gelände des Seefischmarkts die Kieler Altstadt so nach, wie sie sich den Kielern und ihren Besuchern um 1930 zeigte (wir berichteten). Zudem entstanden etliche Einzelmodelle wie die Levensauer Hochbrücke oder der Hauptbahnhof. Nun wird das Projekt, das vom Jobcenter Kiel zusammen mit der „inab Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft des bfw mbH“ initiiert wurde, zum Ende September eingestellt.
Ideengeber und Anleiter des Projekts war der Modellbauer Jürgen Kuntze. Für ihn wie für die aktuell etwa 20 Teilnehmer kam das Ende völlig überraschend. „Die Teilnehmer waren immer begeistert und sehr engagiert dabei. Über das jetzt bevorstehende Ende sind alle bitter enttäuscht“, berichtete Kuntze fest, der vor der Frage stand, was nun mit den Modellen passieren soll.
„Wir haben erkannt, dass dringend ein Raum für dieses einmalige Projekt benötigt wird und wollen hier helfen“, sagte Mattsson. Und so zog das „Historische Kiel“ Mitte 2013, finanziert von der inab, von Wellingdorf in die Wik.
Hier in der Arkonastrasse 1, der Heimat des Verein Maritimes Viertel e. V., ist das „Alte Kiel“ von Jung und Alt zu bewundern.
II Weltkrieg in Kiel: Die Geheimakte Kusch
Ein Kieler U-Boot-Kommandant wagte Kritik am Hitler-Regime – und musste dies mit dem Tod bezahlen. Ein Schicksal, das auch viele seiner Kameraden im Marine-Untersuchungsgefängnis traf. Nicht nur zur Kaiserzeit saßen Matrosen in der Kieler Arrestanstalt in der Wik, Ecke Warnemünder Strasse. Das Hitlerregime baute es zum Marine-Untersuchungsgefängnis aus und ließ seine Todeskandidaten dort auf die Vollstreckung ihrer Urteile warten. Prominentestes Opfer: Der 1944 hingerichtete U-Boot-Kommandant Oskar Kusch.
Er war 26 Jahre alt, als am 12. Mai 1944 auf dem Marineschießplatz in Kiel-Holtenau zehn Gewehrmündungen auf ihn zielten: Oskar Kusch. Der Befehl ertönte, die Salven krachten, der Marinesoldat brach zusammen und wurde schnellstens in einen bereitstehenden Sarg geschleppt. Unauffällig erfolgte der Abtransport. Man hielt die Sache geheim. Die Angehörigen wurden unterrichtet – allerdings war es ihnen verboten, eine Todesanzeige in die Zeitung zu setzen oder sonst etwas darüber verlauten zu lassen. Stattdessen wurden der Familie auch noch die Kosten für Einäscherung und Begräbnis auferlegt. Dennoch hatte sich der Fall bald herumgesprochen.
Grausames Formblatt für die Hinrichtung
Hunderte Marinesoldaten sollen von Hitlers Helfern auf diese Weise in Kiel hingerichtet worden sein – wegen „Wehrkraftzersetzung“, „Feigheit vor dem Feind“ oder anderer regimekritischer Verhaltensweisen, oft auch wegen krimineller Delikte. Es gab sogar ein Formblatt, wie die Todeskandidaten zu behandeln waren und wie die technischen Vorbereitungen auszusehen hatten: Die Vollstreckung musste „bis ins Kleinste vorbereitet werden, dass sie jederzeit ohne Schwierigkeiten stattfinden“ konnte, heißt es. Zum Transport war ein geschlossener Lkw zu verwenden – „kein PKW, da Rücktransport des Sarges“. Das Sanitätskommando musste den Verurteilten dann „einsargen“. „Reichseigenes Schuhwerk“ war „dem Verurteilten vorher auszuziehen und erneut zu verwenden.“
Was hatte Oskar Kusch verbrochen? Eigentlich war er doch ein „guter Soldat“, der den verbrecherischen Krieg als U-BootKommandant auf zwei „Feindfahrten“ sogar erfolgreich mitgeführt hatte: drei versenkte Schiffe, drei weitere Dampfer torpediert. Doch Kusch war keiner der vielen Schweigenden. Seine Kritik am nationalsozialistischen Willkürstaat war der Gestapo bereits bekannt. Er zweifelte in Streitgesprächen an der Möglichkeit, den Krieg gewinnen zu können, verurteilte den Massenmord an den Juden als Verbrechen. Dass er das Hitlerporträt in seinem U-Boot abhängen ließ mit den Worten „Wir betreiben hier keinen Götzendienst“, war mit ein Grund für den regimetreuen Offizier Ulrich Abel, Kusch zu denunzieren – vermutlich auch darum, weil der ihm als Vorgesetzter im Wege stand, ein eigenes U-Boot zu führen.
Kaum vom Atlantik zurückgekehrt, wurde Kusch am 12. Januar in St. Lorient verhaftet und in das Untersuchungsgefängnis nach Kiel gebracht. Vier Tage später verurteilte ihn der Militärrichter Karl-Heinrich Hagemann in einem nur einstündigen Prozess in Kiel zum Tode, obwohl die Staatsanwaltschaft eine Strafe von zehneinhalb Jahren Haft gefordert hatte. 106 Tage musste Oskar Kusch dann in einer kleinen Zelle ausharren, bis er schließlich zum Schießplatz gebracht wurde. Sein Kollege Abel indes bekam das ersehnte Kommando über ein U-Boot – und wurde damit noch vor Kuschs Hinrichtung versenkt.
Erst 1996 wurde Oskar Kusch rehabilitiert. Ihm und seinen ermordeten Kameraden zum Gedenken wurde 1998 in Holtenau am einstigen Schießplatz das Friedrich-Voss-Ufer umbenannt in Oskar-Kusch-Straße.
Kieler Debatte: Museum statt Abriss?
Sein Gefängnis im Kieler Marineviertel aber steht heute leer. Das Haus in der Wik ist nach Zwischennutzungen verlassen, draußen wuchern Büsche und Bäume. Es riecht muffig in diesem Bau, der mit zwei Hauptgebäuden und zwei niedrigeren Nebenflügeln einen Innenhof umschließt. Auf drei bis vier Stockwerken stehen dicke Holztüren halb offen. Kleine Räume verbergen sich dahinter: Es sind die ehemaligen Zellen von Matrosen, die sich in Arrest oder Untersuchungsgefangenschaft befanden. Im Keller sieht es noch dramatischer aus: Dort gibt es Türen aus schweren Eisengittern, Kettenringe an den Wänden, im Putz an manchen Stellen Kratzspuren. Hier muss auch Oskar Kusch gesessen haben – und viele seiner hingerichteten Kameraden.
Die Stadt Kiel, die den alten Gebäudekomplex zunächst abreißen wollte, überlegt derzeit, ob hier ein Ort der Erinnerungskultur vom Matrosenaufstand bis zur Gegenwart geschaffen werden kann.
7. Wasserturm Kiel-Wik – Ort des Kieler Matrosenaufstandes
Der Wasserturm Kiel-Wik steht in Kiel-Wik an der Rostocker Straße zwischen der Endhaltestelle mehrerer Buslinien (Wik, Herthastraße) und dem ehemaligen Exerzierplatz der kaiserlichen Marine.
Der 34,2 Meter hohe Wasserturm hat einen zylindrischen Schaft, während der Behälterbereich achteckig gestaltet ist. Das Erdgeschoss ist mit rotem Backstein ummauert, die Wände darüber sind verputzt. Im Behälterbereich bildet der Wechsel von Backstein- mit Putzflächen ein vielfältiges Ziermuster. Ein recht spitzes Zeltdach mit roten Pfannen schließt den Bau nach oben ab. Bei dem Turm handelt es sich um eine mit Backsteinen und Putzflächen umkleidete Stahlbetonkonstruktion. Die tragenden Elemente sind Stahlbetonpfeiler im Inneren, die oben mit Rundbögen abschließen. Im Turmkopf befindet sich ein Barkhausen-Behälter aus genietetem Stahl, der 300 Kubikmeter Wasser fassen kann. Im Untergeschoss waren ursprünglich die Pumpen untergebracht.
Der Turm wurde zwischen April und September 1904 gebaut, nach einem Entwurf von Baurat Kelm. Zusammen mit dem gleichzeitig gebauten Wasserwerk diente er zur Versorgung der neu entstandenen Marineschule und der Kasernen und Wohnanlagen der Marine.
Nachdem 1966 das Wasserwerk stillgelegt worden war, fungierte der Turm bis 1981 als Zwischenspeicher für die Fernheizung. Dann stand er ungenutzt leer. 1992 stellte man das Gebäude unter Denkmalschutz, wenig später wurde es an einen Privatmann verkauft, der sich dort häuslich niedergelassen hat.
3. November 1918
1918, am Ende des I. Weltkrieges, waren bereits Vorverhandlungen zum Waffenstillstand eingeleitet worden, trotzdem gab die Marineleitung ohne Absprache mit der Regierung in Wilhelmshaven den Befehl zum letzten Seegefecht. Der eigenmächtige Befehl der Seekriegsleitung war unmittelbarer Anlass zu Meutereien kriegsmüder Matrosen, die sich weigerten, ihr Leben bei einer militärisch aussichtslosen „Todesfahrt“ aufs Spiel zu setzen. Sie wurden verhaftet und nach Kiel gebracht. Bei einer von zahlreichen Massenkundgebungen für die Freilassung der Inhaftierten erschoss eine Militärpatrouille am 3. November 1918 in Kiel sieben Demonstranten. Damit war das Signal zum bewaffneten Aufstand gegeben; schon bald wehten auf den Schiffen rote Fahnen. Nach sowjetischem Vorbild übernahmen spontan gebildete Soldaten- und Arbeiterräte in vielen deutschen Städten die Gewalt. Sie forderten immer lauter das Ende des Krieges, die Abdankung des Kaisers und eine Demokratisierung von Wirtschaft, Gesellschaft und Militär.
Kiel 2016: Heute erinnert in Kiel ein 1982 errichtetes Denkmal im Ratsdienergarten an den Matrosenaufstand. An der DGB-Zentrale in der Legienstraße weist eine Tafel auf den Arbeiter- und Soldatenrat hin, der in jenem Gebäude seinen Sitz hatte. In der Feldstraße markiert eine Gedenktafel den Ort, an dem die ersten Toten zu beklagen waren. Die Gefallenen des Matrosenaufstands sind auf dem Parkfriedhof Eichhof und dem Nordfriedhof beigesetzt.
Am 7. November 2009 fand zum ersten Mal ein Gedenkmarsch statt, der von der Stadt Kiel selbst organisiert wurde. Es wurde geplant, dem Bahnhofsvorplatz einen Namen zu geben, der an die Geschehnisse von damals erinnert. Am 17. Juni 2011 wurde der Bahnhofsvorplatz offiziell durch Oberbürgermeister Torsten Albig in „Platz der Kieler Matrosen“ umbenannt.
Matrosenaufstand Kiel – Aufbruch in die Demokratie. Waren es Verräter oder Helden der Geschichte?
Bis vor wenigen Jahren stritten sich Historiker und Politiker über die Einordnung des Kieler Matrosenaufstandes. 2018 zum 100. Jahrestag ist das Ziel, Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt endlich als ein Geburtsort der Demokratie ins Bewusstsein zu rücken.
https://www.kiel.de/de/kultur_freizeit/kiel_erkunden/kulturspuren/kulturspuren_matrosenaufstand.php
8. Ehemalige Fachschule
1934 und 1935 wurde an der Herthastraße das Gebäude der Marinefachschule für Gewerbe und Technik gebaut. Bemerkenswert an diesem Gebäude sind die halbrunden verglasten Treppenhäuser. Zudem interessant an dem Gebäude, die beiden Großkeramiken über den Eingängen der ehemaligen Schule aus dem Jahre 1935. Sie sind Arbeiten des Bildhauers Franz Blazek aus der Ära der zweiten Kieler Kunst-Keramik-Firma, deren baukeramische Produktion ab 1943/1935 langsam anlief. Ein robustes Rind mit schwungvollem Fischschwanz beherrscht das rechte Portal, links hebt ein kräftiges Pferd, ebenfalls mit Fischschwanz, seine Vorderhufe aus dem Wasser, in dem ein Delphin als Symbol für Wasser fungiert.
Nach dem Krieg befand sich hier zunächst die Muthesius-Werkschule, zuletzt war hier die Heimat der Bundeswehrfachschule. Bundeswehrfachschulen sind bundeseigene Bildungseinrichtungen des zweiten Bildungsweges. Soldaten auf Zeit, die sich für mindestens vier Jahre zu einem Dienst in der Bundeswehr verpflichtet haben, sowie BO 41 haben einen Anspruch auf Förderung ihrer schulischen und beruflichen Bildung am Ende und nach der Wehrdienstzeit. Der Anspruch auf schulische Bildung wird durch entsprechende Bildungsmaßnahmen an den Bundeswehrfachschulen verwirklicht. Der Unterricht wird von fachlich qualifizierten zivilen Lehrkräften mit Erfahrungen in der Erwachsenenbildung erteilt.
In relativ kurzer Zeit können so Bildungsabschlüsse wie Mittlere Reife, Fachschulreife und Fachhochschulreife, die bundesweit anerkannt sind, erworben werden. Auch berufsbildende Lehrgänge wie zum Beispiel „Staatlich anerkannter Erzieher“ gehören zum Bildungsangebot. Auffrischungslehrgänge regenerieren das vorhandene Wissen, schließen Wissenslücken und bereiten auf den Besuch eines Bildungslehrgangs oder eine Aufnahme- oder Einstellungsprüfung vor. Das Gebäude steht seit geraumer Zeit leer und wartet auf eine Anschlussverwendung.
9. Anschütz – Kreiselkompass
Hermann Anschütz-Kaempfe konstruierte 1907 den ersten Einkreiselkompass, der erstmals 1908 auf dem deutschen Linienschiff SMS Deutschland verwendet wurde. Zuverlässiger arbeitete aber der 1912 von ihm gebaute Mehrkreiselkompass, der auf dem deutschen Schlachtkreuzer Moltke erprobt wurde. Im Jahr 1913 erfolgte der erste Einsatz auf einem Handelsschiff, dem deutschen Passagierschiff „Imperator“.
Anschütz-Kaempfe gewann 1915 einen Patentstreit zum Kreiselkompass gegen Elmer Ambrose Sperry, zu dem 1914 Albert Einstein als Gutachter hinzugezogen worden war, und bei dem beide sich schätzen lernten. Es begann eine langjährige Freundschaft mit Einstein, die dazu führte, dass letzterer viele Berechnungen für den Kreiselkompass für Anschütz-Kaempfe durchführte und ihn viele Jahre lang in den Sommerferien in Kiel besuchte, wobei das Segelboot von Anschütz eine zentrale Rolle spielte. Es gelang Anschütz fast, Einstein einen Lehrstuhl an der Kieler Christian-Albrechts-Universität zu vermitteln, was letztlich am Beginn der 30er Jahre an der antisemitischen Professorenschaft scheiterte.
Den nach ihm benannten „Anschütz-Zweikreisel-Kugelkompass“ entwickelte Anschütz-Kaempfe 1927. Dieser Kompass diente als Grundlage der heutigen Kreiselkompassanlagen. Der Dreikreisel-Kompass geht auf die Zusammenarbeit mit seinem Vetter Maximilian Schuler zurück.
Nachtrag: Der Nordfriedhof in Kiel
Wenn wir über das Maritime Viertel, insbesondere über das maritime Leben in diesem Stadtteil reden, so muß man unweigerlich auch über den Tod und die Bestattungskultur schreiben. Aus diesem Grunde haben wir den Nordfriedhof in Kiel mit in unsere Beschreibungen aufgenommen.
Der Nordfriedhof, direkt am Westring in unmittelbarer Näher der Christian-Albrechts-Universität gelegen, ist mit 3081 Toten die größte Kriegsgräberstätte in Kiel und bietet aufgrund seiner Entstehung und der hier bestatteten Toten ein eindrucksvolles Abbild Kieler Geschichte, insbesondere auch der Marinegeschichte. Er wurde nach der Bestimmung Kiels zum Reichskriegshafen und dem Aufbau der Flotte von der Marine im Jahre 1878 als Garnisonfriedhof angelegt und ist daher von der Erinnerungskultur der Marine geprägt.
Von der Eröffnung bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurden auf dem Friedhof vor allem aktive und ehemalige Angehörige der Marine, die eines natürlichen Todes starben, und ihre Familienangehörigen bestattet. Daneben fanden hier auch Marineangehörige, die im Dienst bei Unfällen an Land oder auf See ums Leben kamen, in Gemeinschaftsgräbern ihre letzte Ruhestätte. Hier setzte die Marine gleichzeitig Gedenksteine mit den Namen der Toten. Diese Steine sind heute noch erhalten. Der größte und auffälligste ist der für die Toten des am 26.7.1932 gekenterten Segelschulschiffes Niobe.
Während des Ersten Weltkriegs wurden 998 Soldaten, die bei Seegefechten mit englischen Seestreitkräften, bei Unfällen auf See oder durch Minentreffer ums Leben kamen hier beigesetzt. Hinzu kamen noch Tote, die in den Lazaretten an ihren Verwundungen starben. Da Kiel Lazarettstadt war, waren dies nicht nur Angehörige der Marine. Während die in den Lazaretten Verstorbenen Einzelgräber erhielten, wurden Gemeinschaftsgräber angelegt, wenn mehrere Tote nach derartigen Ereignissen zu begraben waren. In diesen Fällen wurden ebenfalls Gedenksteine gesetzt. Ein großer Gedenkstein ist allen Marineangehörigen gewidmet, die während des Ersten Weltkrieges ums Leben kamen.
Im März 1920 wurden die beim Kapp-Putsch getöteten Angehörigen des Militärs und der Freiwilligen (Brigade Loewenfeld) auf dem Nordfriedhof bestattet.
Während des Zweiten Weltkriegs wurden dann bei Kampfhandlungen getötete Militärangehörige aus dem Bereich Kiel und Umgebung sowie in den Lazaretten verstorbene bestattet. Dazu kamen die toten Marineangehörigen, die die Schiffe der Marine nach Gefechten mit englischen Seestreitkräften oder als Folge von Luftangriffen mit nach Kiel brachten. Der jüngste Marinesoldat war noch keine 16 Jahre alt, als er als Marinehelfer in seiner Flakstellung getötet wurde.
Während des Zweiten Weltkriegs starben durch Luftangriffe in Kiel nicht nur Soldaten sondern auch mehr als 2800 Zivilpersonen, von denen etwa die Hälfte auf dem Friedhof Eichhof bestattet wurde.
Vor allem bei einem der letzten schweren Luftangriffe auf Kiel am 3.4.1945 starben noch einmal viele Menschen, 273 davon allein in einem Luftschutzstollen in der Moltkestraße, als der Bunkereingang durch eine Bombe verschüttet wurde. Unter den Toten waren 131 Kinder unter 18 Jahre, 90 davon noch keine 6 Jahre alt. Ein großer Teil dieser Toten ist auf der Fläche vor dem Hochkreuz auf dem Nordfriedhof bestattet.
Feld W ist die letzte Ruhestätte von standrechtlich Erschossenen. Die verurteilten Wehrmachtsangehörigen wurden auf dem Schießstand Holtenau erschossen und auf dem Nordfriedhof bestattet. Verzeichnet sind hier 64 Tote, von 35 ist bekannt, dass sie erschossen wurden. Einer von ihnen starb am Tag nach seinem 20 Geburtstag.
Gegen Ende des Krieges waren auch die auf Schiffen verstorbenen Flüchtlinge und auf Lazarettschiffen gestorbene Soldaten zu bestatten.
Nach dem Kriege wurden die in der Kieler Förde bzw. Kieler Bucht versenkten Schiffe gehoben und die noch an Bord befindlichen Toten geborgen. Darunter waren mehrere U-Boote und Kleinfahrzeuge der Marine, die neben Soldaten auch namentlich nicht bekannte Flüchtlinge an Bord hatten.
Auch Militärangehörige anderer Nationen wurden auf dem Nordfriedhof bestattet. Amerikanisch und britische Flieger, russische, französische und italienische Kriegsgefangenen und Zivilinternierte. Die Toten aus Frankreich und Italien wurden nach dem Krieg in ihre Heimat überführt, die toten Amerikaner wurden entweder in die Heimat oder auf Soldatenfriedhöfe außerhalb Deutschlands gebracht. Die bestatteten Briten, die Angehörigen des Commonwealth und die polnischen Freiwilligen der Royal Air Force wurden auf einen separaten Teil des Nordfriedhofs in eine Sammelanlage umgebettet. 983 Angehörige der Streitkräfte des Britischen Commonwealth und 10 Polen fanden so hier ihre letzte Ruhestätte.
Auf dem Feld 13 sind 209 russische Kriegsgefangene bestattet, die in Lagern starben oder bei Luftangriffen an ihren Arbeitsstätten oder in ihren Lagern getötet wurde, da diese Gefangenen bei Alarm nicht die Luftschutzbunker aufsuchen durften und den Angriffen schutzlos ausgeliefert waren. Nach dem Krieg wurden auf anderen Kieler Friedhöfen begrabene russische Kriegsgefangene sowie Fremdarbeiter und Fremdarbeiterinnen zum Nordfriedhof überführt und in dem bestehenden Sammelgrab für diese Gruppe beigesetzt.
Nach 1945 wurde der Friedhof von der Stadt Kiel zuerst verwaltet, später dann als Eigentum übernommen. Der Friedhof wird auch heute noch als Begräbnisstätte genutzt.
Legende zur Karte „Nordfriedhof Kiel“
Grabfelder für verschiedene Gruppen von Kriegsopfern:
Kriegsgräber 2. Weltkrieg = …………..
Kriegsgräber 1. Weltkrieg = ——–
Gedenksteine für einzelne Ereignisse/besondere Punkte auf dem Friedhof:
1 SMS Blücher, gesunken beim Seegefecht auf der Doggerbank am 24.1.1915
2 Hilfsschiff Colchester, am 2.3.1918 vor Friedrichsort auf eine deutsche Mine gelaufen
3 Torpedoboot T59, gesunken im Übungsgebiet am 25.6.1918
Rückseite: Unterseeboot UC 91, gesunken bei Stollergrund am 5.9.1918 und Unterseeboot UB 89, gesunken im Kieler Hafen am 21.1.0.1918
4 Segelschulschiff Niobe, gesunken im Fehmarnbelt am 25.7.1932
5 SVK 7.6.1928: Sperrversuchskommando, Explosionsunglück auf dem Minenleger C 12
6 Unterseeboot UB 84, gesunken in der Eckernförder Bucht 7.12.1917
7 SMS König, Denkmal für die Gefallenen in der Seeschlacht Skagerrak am 31.5.1916
8 Denkmal für die Toten der kaiserlichen Marine im Ersten Weltkrieg
9 Unterseeboot UB 25, gesunken in der Kieler Bucht am 19..3.1917
10 Unterseeboot U 52, gesunken im Kieler Hafen am 29.10.1917
11 Versuchsboot Welle, gesunken vor Fehmarn am 19.1.1937
12 Feld der standrechtlich Erschossenen
13 Gedenkstätte für die Gefallenen der Brigade Loewenfeld im März 1929
14 Ehrenmal für die Gefallenen des 1. Marineregiments 1914-1918
15 SMS Brandenburg, Explosionsunglück im Maschinenraum am 16.2.1894
16 SMS Baden, Schießunglück in der Strander Bucht am 2.8.1893
17 Unterseeboot U 18, gesunken nach Kollision in der Lübecker Bucht am 20.11.1936
18 SMS Moltke, torpediert von britischem U-Boot am 19.8.1915; Gefallene der Seeschlacht im Skagerrak am 31.5./1.6.1916
19 Denkmal für Gefallene der Schleswig-Holstein-Armee 1848-1850. Das Denkmal stand früher auf dem später aufgehobenen St.-Jürgens-Friedhof am Hauptbahnhof
20 SMS York, Explosion an Bord in der Werft am 31.3.1911
21 Torpedoboot S 126, gesunken nach Kollision vor Bülk am 17.11.1905
22 Torpedoboot S 143, gesunken im Gjedser Tief am 4.8.1914
23 SMS Prinz Adalbert, beschädigt durch Torpedotreffer bei Rixhöft am 2.7.1915
24 Hilfsschiff Binz, gesunken im Langland-Belt am 15.12.1915
25 Unterseeboote U 923*, U 1221, U 3505, U 3520*, versenkt im Januar und April 1945 im Bereich der Kieler Bucht und des Kieler Hafens
26 Feld der russischen Kriegsgefangenen
27 Kreuzer Lützow, beim Rückmarsch vom Überfall auf Norwegen torpediert am 9.4.1940
28 Schlachtschiff Scharnhorst, torpediert im Nordmeer am 8.6.1940
29 Schlachtschiff Gneisenau, bombardiert in der Werft in Kiel am 26.2.1942
30 Hochkreuz (*Totalverluste)
Projektarbeit „Friedenserziehung“
Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge bietet Schulklassen und Jugendgruppen die Möglichkeit, in seinen Jugendbegegnungsstätten in Lommel/Belgien, Niederbronn-lesbains/Frankreich, Ysselsteyn/Niederlande sowie auf dem Golm/Insel Usedom Projekte durchzuführen. In Ergänzung dieses Angebotes sowie für Programmanteile bei Fahrten nach Kiel oder Umgebung bietet sich für kleinere Projekte auch der Kieler Nordfriedhof an. Diese Hinweise sollen Projektleitern und Lehrkräften mögliche Inhalte eines solchen Vorhabens verdeutlichen.
Wenn Sie weitere Unterstützung (z.B. zusätzliches Material oder Vermittlung einer kostenlosen Führung) wünschen, sprechen Sie den VB Kriegsgräberfürsorge Kiel e. V. bitte einfach an: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. Landesverband S-H, Adresse: An der Schanze 2 – 24226 Heikendorf – Telefon:0431 9066190
Zur Beachtung:
Der Verein Maritimes Viertel e. V. stellt hier Fotos der Kulturmeile des Maritimen Viertels zur Verfügung, welche frei nutzbar sind. Dies Sammlung von Fotos befindet sich im Aufbau und wird laufend erweitert. Wir bitten jedoch bei Veröffentlichung den Zusatz – © www.maritimesviertel.de – zu benutzen und uns ein Belegexemplar zu überlassen.
SMS UNDINE
Am 07.11.1915 kam es bei der Begleitung des Fährschiffes PREUSSEN auf dem Weg von Trelleborg nach Saßnitz zu einem tragischen Vorfall. Hierbei wurde die UNDINE vom britischen Unterseeboot E 19 mit zwei Torpedotreffern 18 Seemeilen NNO vor Arkona versenkt.
Dieses tragische Schicksal nahm der Vorstand des Maritimen Viertel – Kultur am Kanal e. V. zum Anlass der auf den Tag genau, vor hundert Jahren Gefallenen zu gedenken und einen Kranz am Grabe der Soldaten abzulegen. In Anwesenheit von Vorstand und Vereinsmitgliedern, von Herrn Burkhard Sültemeyer, Enkel eines Überlebenden, des Kapitän zur See Jan C. Kaack, Kommandeur der Einsatzflottille 1, hielt Frau Ingrid Lietzow, Vorsitzende des Vereins Maritimes Viertel, eine Gedenkrede und erinnerte an die Geschehnisse vor 100 Jahren.
An dieser Stelle soll kurz zusammengefasst werden wie es zum Bau des Schiffes S.M.S. UNDINE der Kreuzerflotte kam. Der Deutschen Marine gehörten im Jahre 1888, 15.480 Personen an, darunter 534 Seeoffiziere. Ihr Schiffsbestand umfasste 13 zu größtenteils veraltete Panzerschiffe, 8 im Auslands- und Schuldienst eingesetzte Kreuzerfregatten, 19 Kreuzerkorvetten,14 kleine Küstenpanzerfahrzeuge, je 5 Kreuzer und Kanonenboote, 10 Schulschiffe sowie weiter kleine Fahrzeuge. Das Reich besitze kein den Anforderungen der Neuzeit vollkommen entsprechendes Schiff, hieß es in einer Denkschrift. Die Schlachtflotte bestehe in der Masse aus noch brauchbaren aber nicht mehr zeitgemäßen Schiffen, deren Minderwertigkeit in demselben Maße zunimmt, wie andere Nationen auf dem Gebiet des Baus von Schlachtschiffen fortschreiten. Damit stand die deutsche Flotte Ihrer zahlenmäßigen Größe nach an sechster stelle in der Welt.
Getragen von positiven Veränderungen in Deutschland die als recht aussichtsreich betrachtet wurden, wie z.B. ein flottenbegeisterter Kaiser, eine expandierende Wirtschaft und eine gewisse Klärung der technisch-schiffbaulichen Tendenzen. Mit dem Ausscheiden von Adm.Caprivi ergab sich die Chance für den in der Gunst des Kaisers stehenden Tirpitz für eine Hebung der Gefechtsausbildung der Flotte. In dieses Zeit wurde auch die militärische Seite in der strategisch taktischen Admiralsstabsarbeit planmäßig weiterentwickelt. Damit vollzog sich die Hauptchance für die Überlegenheit der Dt. Marine über die anderen, den richtigen Faden für die erforderliche militärische Entwicklung zu finden. In einer von Tirpitz niedergelegten Denkschrift vom April 1891wurde noch mal unterstrichen, dass die strategische Zielstellung der Flotte nur darin bestehen könne, die gegnerische Seemacht unter Aufbietung des gesamten vorhandenen Schiffsmaterials in offener Seeschlacht zu schlagen. Dementsprechend sollte ein Teil der Schlachtflotte mit aktivem Personal besetzt und in Dienst gehalten, der Rest als Reservedivision formiert. d.h. den aktiven Geschwadern, nach erfolgter Mobilmachung anzugliedern.
Vorerst standen Tirpitz‘ Forderungen und Empfehlungen zur gründlichen militärischen Entwicklung der Flotte nur auf dem Papier. Um das auf die gesamte Flotte zugeschnittene Programm zu realisieren, bedurfte es vor allem der Gunst des Kaisers.
Die rasche wirtschaftliche und industrielle Entwicklung sowie der damit verbundene Drang nach neuen Rohstoff-, und Absatzmärkten und anhaltender Bevölkerungszuwachs bewirkte auch den Ausbau und Erweiterung der Kolonialpolitik und der damit folgenden Schutzinteressen. Für Deutschland bedeutete das in Folge des kolonialen Expansionsbestrebens eine Absicherung gegen Rivalen mit militärischen Machtmitteln zu gewährleisten. Hiermit begründet Tirpitz auch die Flottenrüstungspläne. Denn so Tirpitz wörtlich: „Ein Staat, der See oder was hierfür gleichbedeutend ist, Weltinteresse hat, muss sie vertreten durch seine Macht über seine Territorialgewässer hinaus fühlbar machen können.“
Nationaler Welthandel, Weltindustrie, Hochseefischerei, Weltverkehr und Kolonien sind nur möglich wenn Dt. auch eine offensive Flotte besitzt, die im Frieden als Druck und Drohmittel fungieren kann, im Krieg seemächtigen Gegnern hindern kann gegen Interessen des Reiches vorzugehen. Mit der Annahme des ersten Flottengesetz im Jahr 1898 wurde die Grundsätze und Richtlinien der aus der Feder von Tirpitz stammen manifestiert. Neu und Ersatzbauten von Kriegsschiffen wurden rasch forciert. Ein „fliegendes Geschwader“ konnte somit dorthin entsandt werden, wo sich dt. Interessen augenblicklich summieren oder transatlantische Verwicklungen unmittelbar bedrohen. Nun bereits zum Staatssekretär ernannt bezog Konteradmiral v. Tirpitz England in den Mittelpunkt seiner flottenpolitischen Überlegungen mit ein. Der weitere Ausbau der Flotte geht in der Annahme vom der „schwierigsten Kriegslage“ aus. Diese gehe nicht durch einen Seekrieg gegen Frankreich oder Russland aus sondern gegen England, dem z.Z. gefährlichsten Gegner zur See. Somit wurde der Ausbau der Kreuzerflotte strategisch untersetzen.
Schiffstechnischer Abriss
• Am 11.12.1901 Stapellauf/ Deutsche Howaldtswerft Kiel als letzter der drei modifizierten kleinen Kreuzer der Gazelle Klasse, dem Neubau „J“ mit einer Besatzung von 270 – 329 Mann
• Gewicht voll ausgerüstet 3.180 t; L 105 mtr ; B 12.4 mtr; T 5,62 mtr.
• Antrieb: Expansion,- Kolbendampfmaschine; Schiffsgeschwindigkeit 21.5 kn
• Bewaffnung: 10 Schnellfeuerkanonen-10,5 cm; 14 Maschinenkanonen; 2 Torpedo(lancier)rohre – 45 cm
• 05.01.1904 erste Indienststellung zur Probefahrt die bis zum 23.03.04 dauerte mit anschließender Überführung und Außerdienststellung am 30.03.04 in Wilhelmshaven und Haltung in Reserve.
• 10.01.05 erneut Indienststellung und Überführung nach weiteren Erprobungen am 04.02.05 nach Kiel.
• 08.-12.10.05 Teilnahme am Hochseeschießen und Nachtübung vor Helgoland wobei sich hier vor Bülk eine Kollision ereignete. Undine rammt S-126 mittschiffs, welches dabei auseinanderbrach und versank.33 Seeleute fanden dabei den Tot.
• 03.05.-09.06.06 Reparatur des verbogenen Sporns auf der Werft in Wilhelmshaven.
• 10.-27.02.07 Überholungsarbeiten auf der Werft in Wilhelmshaven.
• 25.08-08.09.07 Zuteilung zum III. Geschwader anlässlich des Herbstmanövers der Hochseeflotte.
• 29.01.-27.03.08 erfolgte eine Winterreparatur.
• 01.07.08 Verlegung nach Sonderburg zur Artillerieschule.
• 29.08.-11.09.09 III. Aufklärungsgruppe der Hochseeflotte in der Ostsee.
• 26.09.27.10.10 Grundreparatur in der Danziger Werft wegen starker Verschleißerscheinungen.
• Jan,/Feb.1912 Teilnahme an Hilfsaktion zur Befreiung von drei im Eis eingeschlossener Schiffe während der Vereisung der westlichen Ostsee.
• April 1912 Einreihung in des Lehrgeschwader.
• 12.07.12 Außerdienststellung in Danzig mit Grundreparatur. Danach Einreihung in die Bereitschaft der II. Reserve.
• 04.08.1914 Indienststellung zur Küstenschutzdivision der Ostsee. Übernahme des
• Sicherungsdienst in der westlichen Ostsee und auf der Linie Moen-Dornbusch. 03.- 09.09.14 Teilnahme Vorstoß zum Finnischen Meerbusen.
• 08.09.14 Maschinenhavarie, Reparatur in Danzig.
• 18.10.1914 Sicherungsdienst auf der Fährlinie Sassnitz – Trelleborg. Mehrmaliges Flaggschiff des Chefs der Küstenschutzdivision VAdm.Mischke.
• 13.-18.04.1915 Beschießung russ. Stellungen bei Buddendiekhof und Memel.
• Ab 19.04.1915 Wiederaufnahme der Patrouillenfahrten in der westlichen Ostsee.
• Am 07.11.1915 Begleitung des Fährschiffes „Preußen“ auf dem Weg von Trelleborg nach Saßnitz. Hierbei wurde die Undine vom britische Uboot E 19 mit zwei Torpedotreffern 18 sm NNO vor Arkona versenkt.